programm
  künstlerlandkarte

background
  konzept
  musik
  bildende kunst
  landlosenbewegung
  bürger dieser welt

goodies
  linklist
  fotoalbum
  das wetter

kontakt

partner


BRASIL 2000
Zum Musikprogramm



RIO GRANDE DO SUL

Borghetti

Zwei wesentliche choreographisch-musikalische Importe aus Europa waren maßgeblich an der Entwicklung der Musik der La-Plata-Staaten (Argentinien, Uruguay, Paraguay, Südbrasilien/Rio Grande do Sul) beteiligt:

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts ging ein starker Einfluß von den iberischen Tänzen, z.B. der andalusischen Habanera aus. Mitte des 19. Jahrhunderts brachten europäische Einwanderer dann Polka und Walzer von den Bürgersalons und Gouverneurspalästen bis in die entferntesten Haciendas des Hinterlandes. 1845 tauchte die Polka erstmals in Uruguay auf, verband sich dort mit Fandangos, Quadrillen und Tänzen der Mestizen, Creolen und Guaranies.

Besonders österreichischen, böhmischen und deutschen Siedlerfamilien ist es zu verdanken, daß sich die Polka in all ihren Mischformen erhalten hat. Aus dieser Tradition ist die Bedeutung des Akkordeons in der südbrasilianischen Musik verständlich, bevorzugte Rhythmen sind z.B. Chamames (normal mit Gitarre, Akkordeon oder Harfe), Boleros, Choros, Corta-Jacas, Valsas.

Um 1880 kamen Tango und Milonga als neue städtische Populärmusik dazu: Sie waren die Musik der Zuwanderer aus Europa und dem Hinterland, die die Vorstädte der rasch anwachsenden Industrieregionen Buenos Aires, Montevideos und Porto Alegres (einer der wichtigsten Hafen- und Industriestädte Südamerikas) bevölkerten. Die Melange aus afrikanischen, hispanischen und osteuropäischen Musikelementen wurde erst nur auf der Straße und im Bordellmilieu gespielt, bis der Tanz sich etablierte und ein halbes Jahrhundert später zur Zeit der ersten Tonaufnahmen mit großen Tango-Orchestern und natürlich der "Nachtigall der Pampa" - Garlos Gardel - salonfähig wurde.

Die Milonga, die ländliche Frühform des Tango, entwickelte sich aus der Mischung von Habanera und der indianisch und europäisch geprägten Volksmusik der Pampa. Sie handelt vom "Drama des Gauchos". War der Gaucho als Held der Pampa damals noch Reiter, Nomade im Süden Brasiliens und Uruguays, so mußte er sich nach den Unabhängigkeitskriegen und durch den Assimilierungszwang an gesellschaftliche Normen niederlassen und seßhaft werden. Die Texte der Milongas erzählten von Geschichten und Histörchen aus Gegenwart und Vergangenheit, vom Alltag mit den Pferden, den Winden und dem Feuer der Pampa, dem Lagerfeuer, Churrasco, Mate-Tee und natürlich auch von Liebesabenteuern. Heute ist "Gaucho" die offizielle Bezeichnung der Einwohner Rio Grande do Suls.

Mehr als in allen anderen Landesteilen ist im vergleichsweise reichen Süden Brasiliens der europäische Einfluß im Alltags-, Wirtschafts- und Kulturleben zu spüren. Hauptexportmarkt in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht ist der Merco-Sul mit der Hauptstadt Buenos Aires und nicht die brasilianschen Metropolen Rio oder São Paulo. Jazz, Avantgarde- und Experimentalmusik sowie "neue Volxmusik" haben hier (auch von seiten der Kulturpolitik) ideale Entwicklungsbedingungen und ein aufnahmebereites Publikum gefunden.

BRASIL 2000 will die in Europa weitgehend unbekannte (weil in brasilianischen Musikindustrie weniger vertretenen) kulturelle Vielfalt dieser südlichen "Ecke" des Riesenlandes präsentieren.


RIO GRANDE DO NORTE


Dieser Bundesstaat mit Hauptstadt Natal gehört mit den Staaten Paraiba, Pernambuco und Ceara zum sogenannten "Nordeste". Die reichen Traditionen machten die archaische, etwas entlegene und arme Region zur "kulturellen Speisekammer" und zum Inspirationsquell für zahlreiche bekannte KünstlerInnen und MusikerInnen des Landes. Historisch mischten sich im Nordosten Potiguares, die Indianer der Küstenregion, mit Schwarzen und Europäern, vornehmlich Portugiesen, Holländern, Engländern und im 2. Weltkrieg Amerikanern der dort stationierten US-Basen.



Zur Entwicklung des typischen Nordestino-Sounds trugen drei musikalische Hauptelemente bei:

Samba
, ursprünglich ein afrikanischer Gruppentanz rituellen Charakters, und Umbigada, ein Gruppentanz mit improvisiertem Gesang, bei dem Männer oder Frauen ein Solo bekamen und der Vorsänger dann kurze Verse mit konstanten Refrains improvisiert vortrug. Die Lieder dieser Tänze assimilierten sich mit vorwiegend aus portugiesischer Tradition stammenden Vokalarten der afrobrasilianischen Troubadoure, der neu entstandenen Spezies der improvisierenden Volkssänger (Repentistas). Diese Sänger traten bei mythisch-religiösen oder profanen Festen der Vaqueiros (Kuhhirten) im Sertão auf und trugen ihre wetteifernden Verse und Refrains vor.

Themen sind die kleinen Dinge des Alltags, humoresk gewürzt, mitunter voller Anzüglichkeiten, oft haben sie einen aktuellen politischen oder sozialen Bezug. Rhythmen, die sich aus diesem Samba-Umbigada-Moment ergeben sind unter anderem: Coco, Embolada, Bambelô, Zambé, Batuque, Baiao.

Cabloclos sind die ethnisch stärkste Gruppe in der Bevölkerung, deren Lieder und Tänze ein Gemisch aus afrikanischen, europäischen und indigenen Einflüssen sind. Caboclinhos musizieren und tanzen mit Trommeln, Flöten sowie Pfeil und Bogen, die ihnen als Percussions- und Rhythmusinstrumentedienen. Dazu wird in Reihen getanzt und werden die Embolas in responsorischen Ruf/Antwort-System vorgetragen. Die Sprache ist portugiesisch gemischt mit Yoruba und indianischem Vokabular.

Der aktuelle musikalische "Hauptexportaktikel" aus dem Nordosten, der sich gerade anschickt, dem Pagode (schneller Kommerz-Disco-Samba) Konkurrenz zu machen, ist der Forro. Die schnellen, einfach gestrickten Polkas entwickelten sich aus der Musik der Bewohner des Sertão und gehören mittlerweile auch zum Repertoire der Großen der MBP wie Hermeto Pascoal, Edu Lobo oder Airto Moreira. Die typischen Forro-Instrumente sind Akkordeon, Triangel, Flöten, Trommeln und die Violão sertaneja, eine zehnseitige Gitarre.